Es ist nicht immer leicht, trotz vieler Reden-Tipps die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen oder sie über einen längeren Zeitrahmen hinweg zu behalten. Oftmals bedarf es nur einer kurzen Frage, um die Zuhörer wieder zu fesseln oder sie in ihrem Entscheidungsprozess zu fördern. Die rhetorische Frage setzt niemanden unter Druck, lässt aber dennoch Spannung und Reflexionen entstehen.
In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie eine rhetorische Frage gekonnt in Ihre Rede integrieren können und welche Wirkung rhetorische Fragen erzielen. Erfahren Sie außerdem, welche Dos und Don’ts im Kontext des rhetorischen Stilmittels von Relevanz sind.
Die rhetorische Frage bedarf keiner Antwort
Die rhetorische Frage ist ein Stilmittel der Rhetorik und scheint sich auf den ersten Blick nicht von einer gewöhnlichen Frage zu unterscheiden. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied – sie verlangt keine Antwort.
Das liegt an zwei Faktoren: Da eine Rede naturgemäß ein Monolog ist, gibt es keinen Gesprächspartner, der überhaupt antworten könnte. Zum anderen pointiert diese Fragetechnik das Gesagte – und wird so zu einem der wichtigsten rhetorischen Mittel.
Der Gebrauch von Stilmitteln unterstreicht den Inhalt einer Rede. Die Figuren können wirkungsvoll eingesetzt werden, um dem Zuhörer wichtige Inhalte näherzubringen.
So ist auch die rhetorische Frage eine Figur, die der gezielten Meinungsbildung des Publikums dient. Der Redner betont durch das Stilmittel seine Aussage, ohne auf eine informative Antwort aus zu sein. Der Zuhörer wird zum Nachdenken angeregt, ohne direkt Stellung beziehen zu müssen.
Dabei können durchaus kontroverse Meinungen erzielt werden. Der Redner kann sowohl auf die Zustimmung, aber auch auf die gezielte Ablehnung seiner Aussage aus sein. Der Kernpunkt liegt in der Wirkung des Gesagten, das den Zuhörer dazu animiert, eine eigene Stellung zu beziehen. Somit wird eine direkte Beziehung zwischen Redner und Publikum geschaffen, die für die Rede entscheidend ist.
Das Stilmittel der rhetorischen Frage in der Antike
Der Begriff der rhetorischen Frage leitet sich von dem Terminus „Rhetorik“, der antiken Redekunst, ab. Die im antiken Griechenland und alten Rom festgelegten Ziele einer Rede waren:
- Belehrung der Menge
- Unterhaltung der Zuhörer
- Bewegung des Publikums
Die Redekunst war darauf aus, den Redestoff in eine anspruchsvolle, den Wirkungszielen angemessene Form zu bringen. Das bedeutet, dass der Redner in seinen Ausführungen bestimmte Inhalte transportierte, um so gewisse Ziele zu erreichen. Beispielsweise bei einer Fest-, Gerichts- oder politischen Rede:
Rede | Wirkungsziel |
Festrede | Lob oder Tadel einer Person |
Politische Rede | Überzeugung des Publikums |
Gerichtsrede | Be- (und Ver-)Urteilung des Rechts |
RedeFestrede
WirkungszielLob oder Tadel einer Person
RedePolitische Rede
WirkungszielÜberzeugung des Publikums
RedeGerichtsrede
WirkungszielBe- (und Ver-)Urteilung des Rechts
Kleiner Exkurs: Die Metapher in der Rede
Bei einer gelungenen Rede war es wichtig, dass der Redner passende Argumente wählte. Jedoch sind geeignete Argumente nur halb so wirkungsvoll, wenn das Gerüst der Rede nicht stimmt. Eine gute sprachliche Form der Rede dient auch heute noch dem besseren Verständnis und fördert zudem die Aufmerksamkeit des Publikums. Schon in der Antike nutzten Rhetoriker den Sprachschmuck – also den gezielten Einsatz der rhetorischen Mittel – um Hervorhebungen zu setzen.
Beliebt war vor allem die Metapher, bei der ein Begriff durch einen Ausdruck ersetzt wird, der aus einem anderen Bedeutungszusammenhang stammt und als Bild verwendet wird. Das Wort oder der Satz sind somit nicht wörtlich, sondern im übertragenen Sinne gemeint. Beispiel: Er hat mir das Herz gebrochen.
Wie wirkt die rhetorische Frage?
Unter den Stilmitteln gibt es zudem Figuren, mit denen sich der Redner dem Publikum explizit zuwendet. Hierunter fällt auch die rhetorische Frage, die bereits der römische Schriftsteller und Redner Marcus Tullius Cicero fokussiert einsetzte. In ihr sah er ein Mittel, um dem eigenen Standpunkt Nachdruck zu verleihen. Denn: Der Redner beantwortet seine eigene Frage selbst – und kann so den Fokus des Publikums mehr oder weniger gezielt lenken.
Die rhetorische Frage diente den antiken Rhetorikern also zur Verstärkung der eigenen Argumente, aber auch, um den Zuhörer zum Nachdenken und Urteilen zu bewegen. Schon in der Antike wurde die rhetorische Frage deshalb zu unterschiedlichen Zwecken angewandt – und hatte demnach unterschiedliche Funktionen inne, die im Folgenden genauer beleuchtet werden.
Die drei Anwendungsarten der rhetorischen Frage
Die rhetorische Frage lässt sich in drei verschiedene Anwendungsbereiche kategorisieren, die sich nicht nur durch die Einbindung des Stilmittels unterscheiden, sondern auch in ihrer Wirkung.
Die klassische rhetorische Frage – Hypophora
Die Hypophora ist eine rhetorische Figur, die eng mit der rhetorischen Frage verwandt ist. Jedoch liegt der grundlegende Unterschied darin, dass der Redner seine Frage im Anschluss stets selbst beantwortet. So wird die Aussage, die durch die Frage mitschwingt, noch einmal betont, das Publikum aber weniger eingebunden.
Zwei Beispiele:
- Wie funktioniert jetzt dieser Roboter? Die intelligente Maschine wird über den Computer gesteuert.
- Sie haben gesehen, wie sich der Anteil in den letzten Jahren verändert hat. Doch was sagt uns dieser Anstieg? Die höheren Mietkosten wirken sich auf die Wohnungsnot aus.
Die Beispiele verdeutlichen, dass der Redner die Frage im direkten Nachgang selbst beantwortet. Durch die rhetorische Frage entsteht somit ein kleiner Spannungsbogen, der unmittelbar nach der Frage wieder aufgelöst wird.
Die rhetorische Frage ohne erwartete Antwort – im Dialog
Oftmals werden rhetorische Fragen auch während eines Dialogs genutzt. Die Antwort ist meistens ein unausgesprochenes „ja“ oder „nein“. Der Dialogpartner wird demnach auf etwas aufmerksam gemacht, wodurch sich letztlich die Aussage der rhetorischen Frage betonen lässt. Dieser Einsatz des Stilmittels dient aber auch dazu, Ausführungen des Gesprächspartners abzukürzen und zu beenden, wie die Beispiele zeigen:
- Das meinen Sie doch nicht ernst?
- Wie würde es Ihnen an meiner Stelle gehen?
- Sind Sie noch ganz bei Verstand?
Die rhetorische Frage ohne erwartete Antwort – in der Rede
Die rhetorische Frage ist ein beliebtes und ungemein effektives Mittel in der freien Rede. Die Antwort wird nicht ausgesprochen, sie entsteht in den Köpfen der Zuhörer. Diese können durch ein Nicken oder Kopfschütteln ihre Meinung bekunden. Dem Redner geht es nicht um den Erkenntnisgewinn oder einen Wissenszuwachs, sondern um die emotionale Wirkung auf das Publikum.
Drei Beispiele:
- Wir wollen doch alle mehr Urlaub, nicht wahr?
- Wer würde das nicht gerne tun?
- Wollen wir das nicht alle erreichen?
Die Beispiele zeigen, dass der Redner durch die rhetorische Frage jeden einzelnen Zuhörer im Publikum adressiert. Der Zuhörer kann sich mit der Fragestellung identifizieren und sie für sich beantworten. So zieht der Redner die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf sich und regt das Publikum zum Mitdenken oder gar zum Agieren – durch Nicken oder Kopfschütteln – an.
Die rhetorische Frage im Gebrauch der Rede
Die rhetorische Frage ist ein Stilmittel, welches sich leicht in eine Rede integrieren lässt. Zudem erfassen die Zuhörer die Frage auf Anhieb. Durch die rhetorische Frage lässt sich der Monolog der Rede beinahe als ein Dialog tarnen.
Mit dem Gebrauch von rhetorischen Fragen können Sie Aussagen treffen, ohne sie als These zu formulieren und somit auf Gegenmeinungen zu stoßen, die den Fluss Ihrer Rede und Argumentation stören können. Die Antwort bildet sich in den Köpfen der Zuhörer. Aus diesem Grund ist es essenziell, die Frage so zu stellen, dass dem Publikum eine Zustimmung oder Verneinung leichtfällt. Der Redner selbst muss keine Antwort mehr geben und entnimmt der Mimik des Publikums die individuellen Reaktionen.
Wann rhetorische Fragen anwenden?
Der Einsatz von rhetorischen Fragen ermöglicht Ihnen in der Rede, einen Standpunkt gezielt zu untermauern oder Argumente zu verstärken und hervorzuheben. Wenn Sie fragen: „Würden Sie lieber zum alten (= ungeliebten) System zurückkehren?“, wird die Antwort in Ihrem Sinne ausfallen – also „Nein“ lauten.
Darüber hinaus ist die rhetorische Frage ein essenzielles Mittel, um Ihr Publikum zum Nachdenken anzuregen. Die Frage könnte lauten: „Möchten Sie für Ihr Baby günstige Kleidung – oder gesunde?“ Es geht nicht um eine explizite Antwort, sondern den Anstoß eines Denkprozesses und einer Meinungsbildung.
Mit einer rhetorischen Frage haben Sie also die Möglichkeit, das Publikum von einem Standpunkt zu überzeugen. Sie lenken die Rede in eine gewisse Richtung und können somit die Zuhörer motivieren, ihre Ansichten zu einer These zu überdenken. Die Wirkung der Frage wird durch die implizite Antwort des Publikums verstärkt.
Es kann durchaus passieren, dass eine Rede an Spannung verliert und das Publikum gelangweilt erscheint. Eine rhetorische Frage stärkt durch die direkte Ansprache die Aufmerksamkeit des Publikums und lockert zudem die Struktur einer Rede auf.
In einer Rede ist es wichtig, den richtigen Ton zu treffen. Der Gebrauch von rhetorischen Fragen ermöglicht dem Redner, das Publikum miteinzubeziehen. Demnach spricht man die Zuhörer auf der inhaltlichen und emotionalen Ebene an und kann es durch Argumente mitreißen.
Sie erfahren aus der Reaktion des Publikums sofort, welche Meinung Ihre Zuhörer zum dargelegten Standpunkt haben und welche Einstellung das Publikum vertritt. Nonverbale Kommunikationsmittel wie Nicken, Kopfschütteln oder Gesichtsausdrücke geben Ihnen hier Aufschluss.
Welche Wirkungen haben rhetorische Fragen in einer Rede?
Die dargelegten Ausführungen zeigen, dass das Stilmittel der rhetorischen Frage viele verschiedene Wirkungen in einer Rede erzielen kann. So zum Beispiel die Folgenden:
- Spannung und neue Aufmerksamkeit erzielen
- der Rede Dynamik verleihen
- die Zuhörer motivieren, ein Thema zu vertiefen
- eine emotionale Haltung vom Publikum fördern
- Gemeinsamkeiten betonen und Uneinigkeit beseitigen
- den Grundstein der folgenden Argumentation legen
- Kontraste erzeugen, die Betonungen schaffen
Neben den genannten Aspekten ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die rhetorische Frage durch ihren interaktiven Charakter passive Zuhörer zu aktiven macht. Auch sollte die sprachliche Wirkung des Stilmittels nicht unterschätzt werden: Rhetorische Fragen haben – insbesondere in Kombination mit anderen Stilmitteln – das Potenzial, eine Rede enorm aufzuwerten. Durch weitere Rhetorik-Tipps können Sie die Wirkung vertiefen.
Die rhetorische Frage einsetzen: Dos und Don’ts
Die rhetorische Frage kann nur dann ihre Wirkung in einer Rede entfalten, wenn Sie bei ihrem Gebrauch bestimmte Kriterien einhalten und auf den richtigen Einsatz achten.
Dos: Das Stilmittel gekonnt in die Rede integrieren
Der Gebrauch von rhetorischen Fragen ermöglicht es, die Zuhörer für einen Themenpunkt zu begeistern und Interesse zu erzeugen, indem ihre Gefühle angesprochen werden. Das resultiert in der Tatsache, dass Entscheidungen oftmals über den Weg der Emotionen getroffen werden. Deshalb ist es wichtig, einige grundlegende Dinge zu beachten:
- Lassen Sie nach der Frage unbedingt eine Wirkpause, damit die Zuhörer die Zeit haben, das Gesagte zu verarbeiten und sich eine Meinung zu bilden. Zudem wird durch eine Pause die Spannung betont und der Effekt erscheint somit größer.
- Manchmal ist es ratsam, die rhetorische Frage im Anschluss zu beantworten. So können Sie einen neuen Spannungsbogen ziehen, indem Sie das Publikum mit ihrer Antwort zum Staunen oder zum Lachen bringen.
- Achten Sie bei der Frage auf die richtige Betonung. Ändern sie vielleicht sogar das Sprechtempo, um die rhetorische Frage hervorzuheben.
Generell gilt: Seien Sie kreativ und nutzen Sie das stilistische Mittel, um eine dynamische und originelle Rede zu gestalten. Wie bei allen rhetorischen Figuren ist jedoch eine Sache wichtig: Der gezielte Einsatz des Mittels ist wesentlich gewinnbringender als die scheinbar strukturlose Aneinanderreihung. Behalten Sie den Überblick. Der Sachverhalt sollte trotz Verwendung von einigen Rhetorik-Tipps noch klar erkennbar sein. Der Rote Faden der Rede sollte keinesfalls durch stilistische Ergänzungen gestört werden. Nutzen Sie einfach prägnante Fakten, die sie beispielsweise in die Frage einbauen.
Don’ts: Das sollten Sie bei Ihren Ausführungen vermeiden
Wie bereits erwähnt: Setzen Sie rhetorische Fragen nur gezielt und nicht im Übermaß ein. Zu viele Fragefiguren lassen den Redner unsympathisch und belehrend wirken. Auch können zu viele Stilmittel die Rede unnötig in die Länge ziehen oder die Zuhörer an der Glaubwürdigkeit des Redners zweifeln lassen.
Vermeiden Sie außerdem zu provokante Fragen, da sich das Publikum sonst bedrängt oder beleidigt fühlen könnte. Beispiel: „Was wissen Sie eigentlich?“
Vergessen Sie darüber hinaus nicht, originell zu bleiben. Fragen wie: „Darf ich mich vorstellen?“ wirken schnell klischeehaft und einfallslos.
Übertreiben Sie nicht und nutzen Sie rhetorische Fragen nicht als Pausenfüller oder gar ziellos in einem unpassenden Kontext. Somit verlieren die Stilmittel ihre Wirkung, sie erscheinen banal und nichtssagend – und verkörpern so genau das Gegenteil Ihrer Intention.
So finden Sie die passende rhetorische Frage
Wer auf dem Gebiet der Rhetorik nicht routiniert ist, fühlt sich mit den schier unendlichen Möglichkeiten der rhetorischen Frage schnell überfordert. Hier gilt es, zunächst innezuhalten. Oftmals verwenden wir die Redefigur im täglichen Sprachgebrauch ganz natürlich – ohne überhaupt darüber nachzudenken.
Die nachfolgenden Punkte unterstützen Sie darin, eine passende rhetorische Frage zu finden, die Ihre Rede genau dort unterstreicht, wo es notwendig ist oder sinnvoll erscheint:
- Fragen Sie sich, wann das Publikum Fragen stellen würde.
- Wie würden diese ausfallen?
- Überlegen Sie sich, an welchen Stellen man Betonungen setzen kann.
- An welchen Punkten könnte die Rede eine Auflockerung vertragen?
- Welche Standpunkte und Überlegungen sind Ihnen besonders wichtig oder verursachen unterschiedliche Meinungen?
- Schauen Sie, inwieweit man eine Frage zuspitzen kann, ohne dass sie zu sehr provoziert.
- Gibt es eine Grundthese, auf die durch rhetorische Fragen methodisch hingeführt werden soll?
- Welche Sprechtechniken könnten mir helfen?
Überlegen Sie bereits bei der Gliederung Ihrer Ausführungen, an welchen Stellen ein bestimmtes Stilmittel Sinn ergibt. Markieren Sie sich Wendepunkte oder Kontroversen farbig, um bereits auf den ersten Blick die Stellen zu identifizieren, die sich für den gezielten Einsatz einer rhetorischen Frage eignen. Achten Sie darauf, dass die Rede nicht überflüssig mit rhetorischen Fragen gefüllt wird. Hierfür sollten Sie einige Reden-Tipps beachten, um die goldene Mitte zu finden.
Redaktion redenwelt.de